Retro-Kultur ist immer auch ein Stück weit Underground-Kultur. Immer dienstags widmet sich die Honigpumpe einem Gaming-Thema aus vergangener Zeit.
Früher hatten Side-Scroller zunächst statische Hintergründe, beispielsweise lediglich einen blauen Himmel vor dem man einen starren Baum sieht. Im 16-Bit-Zeitalter, mit den Zugpferden SNES und Sega Mega Drive, war Parallax Scrolling dann der neue Standard. Mehrere Hintergrundbilder ziehen gleichzeitig vorbei und erzeugen den Eindruck von Tiefe. Aber auch auf dem deutlich leistungsschwächeren NES gibt es Titel, die von dieser Technik Gebrauch machen, beispielsweise Kirby’s Adventure. Mit zwei bis drei Hintergrundebenen ist aber auch schon Arcade-Klassiker Moon Patrol 1982 in Sachen Immersion durch visuellen Tiefgang angetreten.
Parallax Scrolling: Was genau passiert da?
Verschiedene übereinandergelegte Schichten werden zu nur einem Hintergrund. Umso weiter eine Ebene hinten liegt, desto langsamer zieht sie beim Bewegen der Spielfigur vorbei. Sind die Ebenen auch noch zum Teil animiert, wie der See in Sonics berühmter Green Hill Zone, so überzeugt die Tricktechnik, richtig gemacht, noch mehr und erweckt ein 2D-Spiel erst so richtig zum Leben.
Schön demonstrieren lässt sich die grafische Innovation anhand des Vergleichs zwischen des ersten Super-Mario-Bros.-Teils und seiner Überarbeitung für Super Mario All-Stars auf dem SNES. Bereits im ersten Level sehen wir im NES-Teil einen schlichten blauen Himmel, ein paar Büsche und Hügel ziehen des Weiteren auf der selben Ebene vorbei. In der SNES-Version geht wesentlich mehr vor: Der Himmel ist in verschiedene Schattierungen von hellblauer Farbe unterteilt. Davor ein kleines Wolkenmeer mit fröhlichen Gesichtern drauf. Davor wiederum grüne Hügel und jetzt kommen noch einmal detaillierte Büsche hinzu. Auch macht es einen Unterschied, dass Mario in der All-Stars-Variante auf mit Gras bewachsener Erde läuft, während es beim Urtitel leblose braune quadratische Steine sind.
Eines der hübschesten Beispiele für Parallax Scrolling liefert Sega mit Shinobi 3 für den Mega Drive. Man reitet durch ein komplex bewölktes Tal, ganz hinten lässt sich ein vernebeltes Gebirge erahnen und weiter vorne ist ein Bachlauf ist zu erkennen, in dem sich ein kleiner Wald spiegelt. Im vorderen Hintergrund wird ein militärstrategischer Drache in die Luft gezogen, hinter dem Gegner hervorspringen, die gradlinig aus dem Bild laufen. Gleichzeitig liefert man sich ganz vorne Gefechte mit den Wächtern des Widersachers Neo Zeed – und das alles in einem Affenzahn.
Kennen Sie ActRaiser? Ein absoluter Hidden Gem für das SNES. Das Spiel wechselt zwischen Jump-’n-Run- und Gottessimulator-Passagen. Die Grafik des Games hat es drauf, Weite zu simulieren. So steht man beim finalen Boss-Fight auf einer steinernen Erhöhung, unter einem eine Flut von Wolken soweit man nur sehen kann. Der Effekt, dass man dem Himmel mehr als nah ist, erschließt sich vollends. Über einem schweben die Gegnerköpfe, in dessen Stages man nach und nach durch aus Drachenmäulern schießende Blitze gebeamt wird.
2D-Gaming wurde also spätestens mit dem Beginn der vierten Konsolengeneration Ende der 80er mehrdimensional. „Gut gealtert“ heißt es da häufig, wenn man von Werken spricht, die Parallax Scrolling gekonnt einsetzen. Als mit dem 3DO die fünfte Konsolengeneration startete, waren derartige Entwicklungen nicht mehr angesagt und der Markt begann sich allerspätestens mit der PlayStation nahezu komplett auf 3D-Simulation zu konzentrieren. „Nicht so gut gealtert“ heißt es häufig, wenn man frühe Titel jener Zeit mit ihrer Polygonengrafik sieht. Und paradoxerweise erscheint der vermeintliche grafische Fortschritt irgendwie flach und leer.