Fehler ist King! – Weltkulturerbe Dilettantismus

Zur Party, Filmstill

Es ist ein Phänomen der 2000er: Musikvideos aus Projektwochen von einer Filmästhetik durch frühe digitale Camcorder geprägt. Gewollt cool, aber unfreiwillig komisch landeten sie im Netz und gingen durch die Decke.

An dieser Stelle soll einmal qualitätsorientiert auf die Clips und Songs geschaut werden – in einer Top 5 der kuriosesten viralen Musikvideos aus Schul- und Freizeitprojekten Jugendlicher.

Manche der Clips gehen in die zweistelligen Millionenbeträge was Clicks angeht. Und das obwohl die Originaluploads lange schon nicht mehr online sind. Wer zum Teufel verdient bis heute daran?

Unterhaltungswert, catchy Refrains und merkwürdige Narrative in den Strophen verspinnen sich mit der visuellen Ebene zu kleinen Untergrund-Hits, die sich hartnäckig in Netzhaut und Trommelfell einbrennen.

Damals auf Lan-Party, Online-Tauschbörsen und jungen Videoplattformen geteilt, überlebten sie bis heute: zeitlose Klassiker, die sich ungebrochen großer Beliebtheit erfreuen.

 

Platz 5: Salami der Drogendealer

Dieser Titel wurde irgendwie durch die sozialistischen Falken in Duisburg-Beeck realisiert. Ob sich die Gruppe wirklich „Ghettokids“ nannte, wird ein Geheimnis bleiben, schließlich ist der Clip nur als Reupload verfügbar und da kann der anonyme Uploader ja alles wie er will betiteln.

Ein klares, wenn auch etwas generisches Drogendealer-Motiv zieht sich durch die Strophen, zäsiert von einem Refrain, der noch einmal betont, dass man hier keinen Bock auf kriminelle Machenschaften hat.

Vor allem der augenscheinlich jüngste der drei Rapper hat einen tollen Flow. Prädikat: Alles richtig gemacht.

 

Platz 4: Fünf Jungs aus Waiblingen

Stadtmarketing at its best. Diese fünf Jungs haben ordentlich Material beim örtlichen Cheerleadertraining eingefangen und es in ihren Clip geschnitten. „Fünf Jungs, das ist Rap aus Waiblingen, Leute hüpfen hin und her, wie beim Seilspringen“. Die Baden-Württemberger haben es verstanden, eine ordentliche Hookline zu basteln und ziehen ihr Publikum mit lässigen Posen und internationalem Spirit in den Bann.

 

Platz 3: Wo bist du mein Sonnenlicht?

 

Drei nette Jungs wurden buchstäblich über Nacht berühmt. „Wo bist du mein Sonnenlicht?“ heißt ihr einziger Song und wirkt so herrlich falsch und unprofessionell. Gleichzeitig würde das Ausmerzen von Fehlern dem Song schaden. Alles richtig so wie es ist also.

Nummer eins der Jamba-Klingelton-Charts, Platz 12 der Single Charts. Gerne wird ihr Akzent mit zitiert, worüber sich beömmelt wird, meines Geschmacks nach aber das Diskriminierende schrammt, „Ich vermisse deinem Atem“ steht dann da in den Einleitungen von Stern und Co, die allesamt über die Band berichteten.

Die Jungs haben großes mediales Interesse geweckt und stechen in diesem Punkt gewissermaßen raus und laufen außer Konkurrenz. Besonders die orientalisch angehauchten Noten gehen ins Ohr. Sie sind die einzigen Künstler, die derart gepusht wurden und die wenigstens etwas mit ihrer Musik verdienten.

 

Platz 2: Zur Party

Ein völlig kranker repetitiver technoider Beat und dazu alles rund ums Thema Vorfreude auf die Party. Die PL-Klasse (Produktives Lernen, ein besonderes Bildungsangebot für 8. und 9. Klassen an Hauptschulen) hat mit ihrem Kollegen „Ali Baba“, der ein bisschen R’n B in die Nummer bringt, ein Musikvideo der Extraklasse gedreht. Darin zu sehen: Feuerstunts, Sonnenbrillen getragen von völlig unterkühlten Kids und die Lyrics untermalenden Schrifttafeln. Das Frage-Antwortspiel („Zur Party? Zur Party!“) macht einen irre. Ein saver zweiter Platz für so viel Engagement und Eifer!

 

Platz 1: Barbarossa-Rap

Paradoxer Weise könnte dieser Titel auch am Ende der Liste landen, weil hier aber so viel falsch gemacht wird und das ganze irgendwie trotz der Wirrheit doch kohärent rüberkommt, siegt der Barbarossa-Rap aufgrund des ganz besonderen kaum zu toppenden Charms. Meines Erachtens nach wird hier die Institution Schule am realistischsten dargestellt.

Es ist der 00-Schneider unter den vorgestellten Clips. Hier wird definitiv ein Limit erreicht. Zum einen ist die Schule immer streng, dann sind die Lehrer wieder fast alle immer nett – kaum ein Mensch kann wohl diese Dialektik nachvollziehen. Aber so ist es in dem Alter, ein absolutes Auf und Ab.

Anstatt die etlichen kleinen Ideen zu sortieren und gründlich auszuwählen, wurde einfach alles auf den kaum wahrnehmbaren Beat gepackt: Zusatzpunkte also für die Konsequenz in Songwriting und Regieführung.