Als ich das erste Mal in den frühen 2010er Jahren von der Planung des Dortmunder Großprojektes hörte, ging ich fälschlicherweise davon aus, dass hier dem Fußball als weltweites Phänomen Rechnung getragen werden soll. Hätte man mich gefragt, was ich mir wünschen würde, wäre es wohl ein Museum rund um die Fußball-Kultur als solche, im Stile der Ausrichtung vom 11-Freunde-Magazin geworden. Womit wir es tatsächlich zu tun haben, ist ein Museum, das sich dem Spitzenfußball Deutschlands widmet. Aufgrund der prominenten DFB-Beteiligung am Ausstellungshaus und dem Titel „Deutsches“ Fußballmuseum, hätte einem das natürlich auch gleich klar sein können.
Nach der langen Rolltreppenfahrt in den Ausstellungsbereich weht einem direkt die Nationalhymne um die Ohren und wir sehen allerlei Material, das auch in dem Film „Das Wunder von Bern“ aufgearbeitet wurde. Es gibt einige interessante Ausstellungsstücke, die auch den DDR-Fußball abdecken, aber ebenso viele recht aktuelle Prunkstücke, wie einen Stollenschuh Mario Götzes, unter dem noch echter WM-Rasen haftet. Und so manch einem werden die Augen leuchten, wenn er Manuel Neuers originale getragenen Strümpfe in einer Glasvitrine bestaunt. Multimedial gelingt dem Aufbau der Dauerausstellung in jedem Fall ein interessantes Konzept aus Fotografien, Filmausschnitten, Audiokulisse und Originalstücken. Eine gewisse inszenatorische Power der Ausstellung ist nicht zu leugnen.
Doch erscheint das alles etwas hofberichterstatterisch. Na klar, WM-Feeling soll verbreitet und der Stolz auf die deutschen Spitzenathleten befördert werden. Nun muss man diese Intention nicht von vornherein problematisieren. Was mir als Fußballfreund fehlte, ist eher die kritische Auseinandersetzung. Kritik und Reibung an der Materie macht einen Gegenstand erst vielschichtig und somit wirklich lebendig und interessant.
Fußball, das sind nicht nur die hier gut dokumentierten Sensationssiege und Erfolge einiger Ausnahmetalente. Fußball, das bedeutet auch Fehlentscheidungen, Verzweiflung und trotzdem zusammenstehen. Und ferner auch: Ausschreitungen, Radau in der Bahn und verwegener Fanatismus. Wohlgemerkt auch.
Verlieren ist normal
Während viele meiner Mitschüler in Trikots des FC Bayern, Borussia Dortmund und sogar Inter Mailand im Klassenzimmer saßen, trug ich Jahrmarkt-Plagiate eines damals bereits vom Abstieg bedrohten Bundesligavereins, der heute längst in der Bedeutungslosigkeit versunken ist. Irgendwann nach Umzug in einer andere Region entfachte eine neue Liebe zu einem Club, der damals haarscharf der dritten Liga entkam. Für mich war Verlieren immer normal. Und so geht es den meisten Fußball-Fans: Hoffen, Bangen, Zittern, mit der Enttäuschung umgehen: Emotionen eben, vielschichtige Emotionen. Denn: Im DFB-Pokal kommt es dann doch mal wieder zu Wundern und in kleinen Dosen ist einem auch als Fan einer bodenständigen (lies eher erfolglosen) Mannschaft der ein oder andere Sieg gegen einen Verein von Spitzenverdienern vergönnt.
Fußball, das sind nicht nur die Beckenbauers und Klopps, das sind auch Werner Lorant oder Peter Neururer. Leidenschaftliche Menschen, die ihr Leben in den Dienst des Sports gestellt haben und oft tragische Geschichten zu berichten haben. Mein Kredo: Mehr Bolzplätze, statt Allianz Arenen wagen. Es ist zu einfach, ein Schönwetter-Fan zu sein.
Videospiel-Sonderausstellung
Wir von der Honigpumpe waren eigentlich auch nur beim Museum angemeldet, um die Retro-Gaming-Area zu besichtigen: Retro-Kultur ist schließlich Teil unseres Profils. Und hier muss man erschütternd feststellen: Irgendetwas stimmt mit der Kuration nicht. Es wurden keine Wunder erwartet, aber die zehn wichtigsten Soccer-Games der Videospielgeschichte, die hätte man schon bereitstellen können. Und hätte man das ernsthaft nicht allein auf die Beine stellen können, gibt es in der Nähe Vereinssitze von den Retro Nerds im Münsterland und Insert Coins in Herne. Garantiert hätten die gerne kooperiert.
Was nun aber hat der geschätzt 35 m² große Raum zu bieten? Sechs Gaming-Stationen mit einer PlayStation 2, einem Gamecube ohne Originalcontroller, zwei Virtual-Reality Brillen für PC, ein SNK-Automat und eine Arcade-Simulation. Da die Corona-Zeiten vorbei sind, wundert es erst einmal, warum der Saal nur so zaghaft bestückt wurde. Aber wie sieht es denn mit der Software aus? Für die PS2 steht der Hit Sega Soccer Slam zur Verfügung. Toll an diesem verrückten Game ist vor allem der Vierspieler-Modus. Jedoch kommt die bei allem Respekt etwas abgegriffene Slim-Konsole (Marktwert ca. 20 €) ohne Multitap daher, so kann man maximal zu zweit spielen. Für den anderen Titel, zu dem man am schicken Röhrenfernseher wechseln konnte, musste ich die Aufsichtsperson fragen: „Warum ausgerechnet Fifa 07?“. Nun handelte es sich lediglich um einen freundlichen Mitarbeiter, nicht um den Kurator. Die ernüchternde Antwort jedenfalls war, dass man sich alles nur geliehen habe und der Titel eher zufällig zur Verfügung stand. Fußballmuseumslogik mystique.
Jeder Software-Kicker weiß, wo EAs Fifa steht, muss auch Pro Evolution Soccer vorhanden sein. Oder eben International Superstar Soccer. Aber nein, die Konami-Reihe, die vielfach als beste Fußballsimulation aller Zeiten gilt, wird ignoriert.
Im Gamecube liegt das quirlige Mario Smash Football bereit. Das Spiel hat definitiv seine Fans, im Rahmen einer größeren Ausstellung hätte es auch seine Berechtigung gehabt. Einstiegsfreundlicher Spaß gerade für die kleinen Mario-Fans.
Auf dem SNK-Automaten läuft nicht etwa der Neo Geo Cup ’98 oder ein anderes Arcade-Soccer-Game, sondern – und das kann eigentlich nicht sein – ein Super-Nintendo-Emulator mit Fifa International Soccer, also dem ersten Konsolen-Fifa. Hä?
Das Arcade-Board der Marke Unico hat erst gar kein Fußball-Spiel draufgeladen, sondern bietet den Prügler King of Fighters. Was das jetzt mit Fußball zu tun haben soll, bleibt fraglich.
Und an den beiden Virtual-Reality-Brillen kann man Ultimechs spielen, hier ballert man mit Robotern auf Tore in einer futuristischen Umgebung. So richtig Fußballstimmung kommt da auch nicht auf. Dabei gibt es doch längst richtige Virtual-Reality-Fußballspiele.
Die Retro-Gaming-Zone im Deutschen Fußballmuseum ist leider eine Enttäuschung. Das Versprechen, etwas über die Geschichte der Fußball-Videospiele zu lernen löst sich nicht ein. Gibt es denn wenigstens Tafeln, die einem ein gewisses Grundwissen vermitteln? Nein, nur weiße Wände. Aus diesem Grund gibt es hier einen kleinen Rundumschlag Fußballvideospiel-Geschichte gratis dazu.
Geschichte der Fußball-Videospiele
Mit den frühen Heimcomputern zogen auch erste Fußball-Games in die Wohnzimmer ein. 1979 erschien das sehr rudimentär gehaltene Pele’s Soccer für den Atari 2600. Mit Soccer für den NES wurde das Gameplay dann schon sehr viel benutzerfreundlicher und mit dem nachgeschobenen Titel Nintendo World Cup von 1990 auch spaßiger, die tatsächlichen Fußballregeln wurden hier aber nicht eingehalten – Fouls wurden eher noch belohnt.
In den auslaufenden 80ern und frühen 90ern dann gab es kleine Revolutionen durch Simulationsspiele wie Kick Off, bei dem der Ball nicht am Spieler klebt. Das Dribbeln will hier von der Pieke auf erlernt werden. Auch Sensible Soccer zeigte das Match aus der Vogelperspektive und wurde zum nächsten großen Ding: Im Unterschied zu Kick Off beherrschte die Mannschaft hier bereits das Spiel, der Ball ließ sich also automatisch vor dem Spieler her spielen.
Nicht ausgespart werden darf die Geschichte der Fußball-Manager-Spiele, wie Anstoß oder Hattrick, die in den frühen 90ern einen wahrhaften Boom erlebten.
In den 90ern war dann die Blüte der Fußball-Spiele-Zeit: Etliche Games standen nebeneinander, von Actua Soccer, mit seiner innovativen 3D-Grafik, bis Adidas Power Soccer, das eher auf arcadige Action setzte. Auch gab es ganz neue Zugänge wie bei LiberoGrande, bei dem man nur einen einzelnen Spieler in der Mannschaft spielte.
So richtig interessant wurde es dann, als die Konami-Reihe International Superstar Soccer (ISS) an den Start ging, die später von Pro Evolution Soccer (PES) abgelöst wurde. Nie wurde Fußball glaubhafter versoftet. Die Fifa-Spiele aber verfügten über allerhand Lizenzen, was Mannschaften und Spieler betrifft und waren ein starker Konkurrent. Unvergessen auch die Hallen-Tuniere in Fifa ’97 oder ’98. Wenn einen Blurs Song 2 im Startbildschirm empfing, war das außerdem etwas, was Fifa interessant und cool machte.
Leider verlor Pro Evolution Soccer, das noch in den Nullerjahren als die bessere Simulation galt, zunehmend an Bedeutung und ist heute nur noch ein Schatten seiner selbst, während Fifa, bzw. EA Sports FC wie es jetzt heißt, nicht zuletzt durch seine zahlreichen Lizenzen auch an Stadien und so weiter, den Markt für sich gewinnen konnte. Unappetitlichkeiten, wie das Einführen glückspielorientierter Lootboxen, sollten dabei nicht verschwiegen werden.