In den auslaufenden 90er-Jahren war die Welt noch eine andere. Erstmals drohte der Musikindustrie ein heftiger Knick, ausgelöst durch die noch recht junge, nun langsam erschwinglich werdende Technologie des CD-Brennens.
Gemeinsam mit Tomtes ehemaligem Bassisten und bis heute noch aktivem Musiker und Produzenten Stemmi nahmen die Blumenkinder 1998 ein wahnsinnig gutes Album auf. Spex, Intro, Musikexpress – niemand berichtete jedoch. Lediglich ein recht undifferenziertes Review in der Ox erschien, bei dem bemühte Tocotronic-Vergleiche angestellt wurden. Warum nur ist die Platte so untergegangen? Es fehlte schlichtweg an professionellen Strukturen in Sachen Vermarktung, so scheint es.
Tatsächlich korrespondiert die Musik der nord-niedersächsischen Band mit der, des damaligen Hamburger-Trios rund um von Lowtzow: Ein ähnliches Arbeiten mit auf Anschlag verzerrten offenen Gitarrenakkorden ist zu vernehmen, der gesamte Drive hat etwas von Tocotronics Frühwerk, ja. Jedoch sind Blumenkinder allgemein rougher, dabei aber nicht weniger melodiös und zugänglich.
Ihre Texte haben einen jugendlichen Charme, aber nicht zusammengesetzt aus Feierwut und Überlegenheitsgefühl, sondern aus Nachdenklichkeit und allgemeinen Zweifel. Es ist ein stetes Konfrontiert-sein mit der Komplexität von Beziehungen, der Welt und sich selbst.
Gebrochen wird die Schwere der Themen durch das Auftreten der Band. Die Platte heißt selbstironischer Weise „Hör mal zu mein Freundchen“ und öffnet man die CD-Hülle, erblickt man die drei Hechthausener mit erhobenen Mittelfingern. Irgendwie passt die Pose nicht zur verletzlichen Musik, aber irgendwie schon wieder erst recht: Fuck it.
Aus den Blumenkindern entstand irgendwann die Band Flimmern, die wunderbare Songs machen, die bei Weitem cleaner und vom Arrangement her zurückhaltender daherkommen.
Mit dem Re-Release der Blumenkinder erscheint nun die dritte Platte bei The Honeypump, nach den Frühwerken von _pappmaché und Tjian. Allen drei Alben ist eine nicht eindeutig zu einem Genre zuzuordnende Musik in Sachen Sound und Text gemein, alle sind auf ihre Weise komplex und eingängig zugleich.
Irgendwo zwischen Punk und Hamburger Schule mögen die Stilmittel der Blumenkinder verortbar sein, aber die Musik ist ambivalent und hat die Welt der damals noch unter 20-Jährigen mit einiger Brachialität im Klang und viel Fragilität in der Lyrik eingefangen: Ganz wunderbar ist das, nicht nur als Zeitdokument. Die Melancholie, die punkigen Ausbrüche, überhaupt die Dynamik der Songs sind etwas, was nach wie vor körperlich und geistig bewegt und einen abtauchen lässt. Selbststudien beweisen: Diese Musik bringt einen zum Fühlen und Denken gleichzeitig – eine zeitlose Erfahrung!