„Lass die Kamera fallen, um zu sehen“ – Naoko Tanakas knisterndes Objekttheater

© Henryk Weiffenbach

Im PACT Zollverein Essen wird mit „Milliarden Jahre Widerhall“ von Naoko Tanaka ein regelrechtes Kleinod einer Inszenierung von knapp 40 Minuten gezeigt.

 

Beim Betreten des Theatersaals schlägt die Stimmung schlagartig von heiter ausgelassen ins Andächtige um. Das Publikum versammelt sich im Dunkel vor einer schwach beleuchteten Folie, die mit Luft gefüllt, einem kleinen kristallenen Hügel ähnelt. Durch ein leichtes Pulsieren der darin fließenden Luft, ist dem Objekt jedoch Leben eingehaucht.

Was nun folgt ist ein Entlassen in eine Welt der Zeichen und des Sinnlichen. „Milliarden Jahre Widerhall“ legt den Fokus immer wieder auf kleinste Details und fesselt mit einem Gespür für die zarten und fragilen Momente ästhetischer Ereignisse.

Wie sich Naoko Tanaka durch ihre künstlerische Welt bewegt ist spannend und geheimnisvoll. Die Folie entpuppt sich als Wunderwerk performativer Zugänge, eine mit einem Pappbecher als Resonanzkörper bespickte, durch den Raum gespannte Schnur, erzeugt geigerzählerartige Geräusche, ein Animationsfilm aus Bleistiftzeichnungen und Radierungen lässt einen Teil eines Besuchs im aktuellen Fukushima werden.

Die Klarheit und innere Ruhe der Arbeit stimmt den Betrachtenden nahezu meditativ. Es ist eine eigentümliche Dramaturgie losgelöster Zeichen, die sich in eine klare künstlerische Sprache transformiert. Fukushima, ein derart schweres Thema, das mit seiner Wucht jede künstlerische Geste erdrücken könnte, legt sich sanft über die Gesamtarbeit, ja durchdringt sie, ohne jedoch Interpretationsraum zu blockieren oder einen aus gelegentlichen Momenten des gedanklichen Abschweifens zu reißen.

Sprachlich ist es eine Verflechtung zwischen Umweltthema, einem Welterschaffungsmythos, anthropologischen Hinweisen auf den Umgang früherer Völker mit Uranvorkommen in der Erde und persönlichen poetisch anmutenden Einblicken in das Jetzt Fukushimas. Das Vereinende und die Mehrdimensionalität setzt im Performativen an – hier geschehen Dinge, die ein Narrativ, das mit Worten ausgedrückt werden kann, übersteigen.

„Lass sie [die Kamera] fallen, um zu sehen“, heißt es in Tanakas Animationsfilm. Ein wundersamer Satz, einer von vielen, die nach der Inszenierung im Kopf weiterarbeiten wollen.

Nachdem das reduzierte Licht der Performance ganz erlischt, kann der spielerisch aufgeladene Raum begangen werden. Nun sind auch weitere Objekte der Künstlerin ausgeleuchtet und ein Informationsschild verrät uns mehr über gewisse Hintergründe ihrer Arbeit. Nach einer Zeit schwankt das Behutsame des jetzt aktiven Publikums Richtung Entdeckerfreude und so werden kleine Details der Objekte inspiziert, von der Decke hängende Installationsobjekte neugierig umkreist und eine lange mit Zeichnungen versehene Tafel betrachtet. Und: Wie hat der Mechanismus des elegant kreisenden Scheinwerfers eigentlich funktioniert?

Irgendwann hallt eine Zäsur durch den Saal: „Bitte nicht anfassen!“. Es wird Zeit wieder in den Alltag zurückzufinden, reicher um eine Erfahrung des Staunens der anderen Art.